An anthology of German literature - Part 66
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Part 66

+1+

+Anmutige Fruhlingsvorwurfe.+

Ich h.o.r.e die Vogel, ich sehe die Walder, Ich fuhle das Spielen der kuhlenden Luft, Ich rieche der Blute balsamischen Duft, Ich schmecke die Fruchte. Die fruchtbaren Felder, Die glanzenden Wiesen, das funkelnde Na.s.s 5 Der tauichten Tropfen, das wallende Gras Voll lieblicher Blumen, das sanfte Gezische Der mancherlei lieblich beblatterten Busche, Das murmelnde Rauschen der rieselnden Flut, Der zitternde Schimmer der silbernen Flache 10 Durch grunende Felder sich schlangender Bache, Der flammenden Sonne belebende Glut, Die alles verherrlichet, warmet und schmucket, Dies alles ergetzet, erquicket, entzucket Ein Auge, das Gott in Geschopfen ersieht, 15 Ein Ohr, das den Schopfer verstehet und h.o.r.et, Ein Herze, das Gott in den Wundern verehret, Kein viehisch, nur einzig ein menschlich Gemut.

+2+

+Die Nachtigall und derselben Wettstreit gegen einander.+

Im Fruhling ruhrte mir das Innerste der Seelen Der Busche Konigin, die holde Nachtigall, Die aus so enger Brust und mit so kleiner Kehlen Die grossten Walder fullt durch ihren Wunderschall.

Derselben Fertigkeit, die Kunst, der Fleiss, die Starke, 5 Verandrung, Stimm' und Ton sind lauter Wunderwerke Der wirkenden Natur, die solchen starken Klang In ein paar Federchen, die kaum zu sehen, senket Und einen das Gehor bezaubernden Gesang In solche dunne Haut und zarten Schnabel schranket. 10 Ihr Halschen ist am Ton so unerschopflich reich, Da.s.s sie tief, hoch, gelind und stark auf einmal singet.

Die kleine Gurgel lockt und zischt und pfeift zugleich, Da.s.s sie wie Quellen rauscht, wie tausend Glocken klinget.

Sie zwitschert, stimmt und schlagt mit solcher Anmut an, 15 Mit solchem nach der Kunst gekrauselten Geschwirre, Da.s.s man darob erstaunt und nicht begreifen kann, Ob sie nicht seufzend lach', ob sie nicht lachend girre.

Ihr Stimmchen ziehet sich in einer hohlen Lange Von unten in die Hoh', fallt, steigt aufs neu empor, 20 Und schwebt nach Ma.s.s und Zeit; bald drangt sich eine Menge Verschiedner Ton' aus ihr als wie ein Strom hervor.

Sie dreht und dehnt den Ton, zerreisst und fugt ihn wieder, Singt sanft, singt ungestum, bald klar, bald grob, bald h.e.l.l.

Kein Pfeil verfliegt so rasch, kein Blitz verstreicht so schnell, 25 Die Winde konnen nicht so streng im Sturmen wehen, Als ihre schmeichelnde verwunderliche Lieder Mit wirbelndem Gerausch sich andern, sich verdrehen.

Ein flotend Glucken quillt aus ihrer hohlen Brust, Ein murmelnd Pfeifen labt der stillen h.o.r.er Herzen; 30 Doch dies verdoppelt noch und mehrt die frohe l.u.s.t, Wenn etwan ihrer zwo zugleich zusammen scherzen.

Die singt, wenn jene ruft; wann diese lockt, singt jene Mit solch anmutigem bezaubernden Getone, Da.s.s diese wiederum aus Missgunst, als ergrimmt, 35 In einen andern Ton die schlanke Zunge stimmt.

Die andre horcht indes und lauscht voll Unvergnugen, Ja fangt zu ihres Feinds und Gegensangers Hohn, Um durch noch kunstlichern Gesang ihn zu besiegen, Von neuem wieder an in solchem scharfen Ton, 40 Mit solchem feurigen, empfindlich h.e.l.len Klang, Mit solch gewaltigem oft wiederholtem Schlagen, Da.s.s so durchdringenden und heftigen Gesang Das menschliche Gehor kaum machtig zu ertragen.

Wer nun so sussen Ton im frohen Fruhling hort 45 Und nicht des Schopfers Macht voll Brunst und Andacht ehrt, Der Luft Beschaffenheit, das Wunder unsrer Ohren Bewundernd nicht bedenkt, ist nur umsonst geboren Und folglich nicht der Luft, nicht seiner Ohren wert.

+3+

+Fruhlingsbetrachtungen.+

Mich erquicken, Mich entzucken In der holden Fruhlingszeit Alle Dinge, die ich sehe, Da ja, wo ich geh' und stehe, 5 Alles voller Lieblichkeit.

Durch der grunen Erde Pracht, Durch die Blumen, durch die Blute Wird durchs Auge mein Gemute Recht bezaubernd angelacht. 10

Die gelinden lauen Lufte Voller balsamreicher Dufte Treibt des holden Zephyrs Spiel Zum Geruch und zum Gefuhl.

Auf den glatten Wellen wallen 15 Wie auf glanzenden Krystallen Im bestandig regen Licht Tausend Strahlen, tausend Blitze, Und ergetzen das Gesicht, Sonderlich wenn selbe zwischen 20 Noch nicht d.i.c.k bewachs'nen Buschen Und durch junge Weiden glimmen.

Kleine Lichter, welche schwimmen Auf dem Laub und auf der Flut Bald in weiss-, bald blauer Glut, 25 Treffen mit gefarbtem Scherz Durch die Augen unser Herz.

Seht die leichten Vogel fliegen, h.o.r.et, wie sie sich vergnugen, Seht, wie die beblumten Hecken 30 Ihr geflochtnes Nest verstecken!

Schlupfet dort nach seinem Neste Ein verliebt und emsigs Paar, Hufpet hier durch Laub und aste Eine bunt gefarbte Schar. 35 Seht, wie sie die Kopfchen drehn Und des Fruhlings Pracht besehn, Hort, wie gurgeln sie so schon!

h.o.r.et, wie sie musicieren!

La.s.s dich doch ihr Beispiel ruhren, 40 Liebster Mensch, la.s.s dem zu Ehren, Der die Welt so schon geschmuckt Und durch sie dich fast entzuckt, Auch ein frohes Danklied h.o.r.en!

+LXIII. JOHANN CHRISTOPH GOTTSCHED+

A Leipzig scholar (1700-1766) who, as professor in the university, author of text-books, editor of journals, and reformer of the local stage, won a great though transitory prestige. He was a stedfast champion of clarity, regularity, and good taste, laid great stress on probability and reasonableness, and held that a strict observance of the three unities was essential in tragedy. His advocacy of French forms and taste led to a sharp controversy with the Swiss school of Bodmer, who looked rather to English models. Gottsched's _Cato_ met with great success on the stage, but now seems cold and mechanical. His critical views can best be studied in the _Critische Dichtkunst_, from which a selection is given according to the second edition, of 1737.

_From the 'Critical Poetics,' Part II, Chapter 10._

-- 11. Wie eine gute tragische Fabel gemacht werden musse, das ist schon im vierten Hauptstucke des ersten Theils einiger maa.s.sen gewiesen worden. Der Poet wahlet sich einen moralischen Lehrsatz, den er seinen Zuschauern auf eine sinnliche Art einpragen will. Dazu ersinnt er sich eine allgemeine Fabel, daraus die Wahrheit eines Satzes erh.e.l.let.

Hiernachst sucht er in der Historie solche beruhmte Leute, denen etwas ahnliches begegnet ist: Und von diesen entlehnet er die Namen, fur die Personen seiner Fabel, um derselben also ein Ansehen zu geben. Er erdenket sodann alle Umstande dazu, um die Hauptfabel recht wahrscheinlich zu machen, und das werden die Zwischenfabeln, oder Episodia genannt. Dieses theilt er dann in funf Stucke ein, die ungefehr gleich gross sind, und ordnet sie so, da.s.s naturlicher Weise das letztere aus dem vorhergehenden fliesset: Bek.u.mmert sich aber weiter nicht, ob alles in der Historie so vorgegangen, oder ob alle Nebenpersonen wirklich so und nicht anders geheissen haben. Zum Exempel kann die oberwahnte TraG.o.die des Sophokles, oder auch mein Cato dienen.

Der Poet wollte dort zeigen, da.s.s Gott auch die Laster, so unwissend begangen werden, nicht ungestraft la.s.se. Hierzu ersinnt er nun eine allgemeine Fabel, die etwa so lautet:

-- 12. Es war einmal ein Prinz, wird es heissen, der sehr viel gute Eigenschaften an sich hatte, aber dabey verwegen, argwohnisch und neugierig war. Dieser hatte einmal, vor dem Antritte seiner Regierung, auf freyem Felde einen Mord begangen; ohne zu wissen, da.s.s er seinen eigenen Vater erschlagen hatte. Durch seinen Verstand bringet er sich in einem fremden Lande in solches Ansehen, da.s.s er zum Konige gemacht wird, und die verwittibte Koniginn heurathet, ohne zu wissen, da.s.s selbige seine eigene Mutter ist. Aber dieses alles geht ihm nicht fur genossen aus. Seine Laster kommen ans Licht, und es treffen ihn alle die Fluche, die er selbst auf den Morder seines Vorfahren im Regimente ausgestossen hatte. Er wird des Reiches entzetzet, und ins Elend getrieben, nachdem er sich selbst aus Verzweifelung der Augen beraubet hatte. Zu dieser allgemeinen Fabel nun findet Sophokles in den alten thebanischen Geschichten den Oedipus geschickt. Er ist ein solcher Prinz, als die Fabel erfordert: Er hat unwissend einen Vatermord und eine Blutschande begangen. Er ist dadurch auf eine Zeitlang glucklich geworden: Allein die Strafe bleibt nicht aus; sondern er muss endlich alle die Wirkungen seiner unerhorten Laster empfinden.

-- 13. Diese Fabel ist nun geschickt, Schrecken und Mitleiden zu erwecken, und also die Gemuthsbewegungen der Zuschauer auf eine der Tugend gema.s.se Weise zu erregen. Man sieht auch, da.s.s der Chor in dieser TraG.o.die dadurch bewogen wird, recht erbauliche Betrachtungen, uber die Unbestandigkeit des Gluckes der Grossen dieser Welt, und uber die Schandbarkeit seiner Laster anzustellen, und zuletzt in dem Beschlusse die Thebaner so anzureden: Ihr Einwohner von Theben, sehet hier den Oedipus, der durch seine Weisheit Rathsel erklaren konnte, und an Tapferkeit alles ubertraf; ja der seine Hohheit sonst keinem, als seinem Verstande und Heldenmuthe zu danken hatte: Seht, in was fur schreckliche Trubsalen er gerathen ist; und wenn ihr dieses unselige Ende desselben erweget, so lernt doch niemanden fur glucklich halten, bis ihr ihn seine letzte Stunde glucklich habt erreichen gesehen.

-- 14. Eine solche Fabel nun zu erdichten, sie recht wahrscheinlich einzurichten, und wohl auszufuhren, das ist das allerschwerste in einer TraG.o.die. Es hat viele Poeten gegeben, die in allem andern Zubehor des Trauerspiels, in den Charactern, in dem Ausdrucke, in den Affecten u.s.w. glucklich gewesen: Aber in der Fabel ist es sehr wenigen gelungen. Das macht, da.s.s dieselbe eine dreyfache Einheit haben muss, wenn ich so reden darf: Die Einheit der Handlung, der Zeit, und des Ortes. Von allen dreyen mussen wir insonderheit handeln.

-- 15. Die ganze Fabel hat nur eine Hauptabsicht, nemlich einen moralischen Satz: Also muss sie auch nur eine Haupthandlung haben, um derentwegen alles ubrige vorgehet. Die Nebenhandlungen aber, die zur Ausfuhrung der Haupthandlung geh.o.r.en, konnen gar wohl andre moralische Wahrheiten in sich schliessen: Wie zum Exempel in Oedipus die Erfullung der Orakel, daruber Iocasta vorher gespottet hatte, die Lehre giebt: Da.s.s die gottliche Allwissenheit nicht fehlen konne. Alle Stucke sind also tadelhaft und verwerflich, die aus zwoen Handlungen bestehen, davon keine die vornehmste ist. Ich habe dergleichen im Jahr 1717 am Reformationsfeste in einer Schulcomodie vorstellen gesehen, wo der Inhalt der Aeneis Virgilii, und die Reformation Lutheri zugleich vorgestellet wurde. In einem Auftritte war ein Trojaner, in dem andern der Abla.s.skramer Tetzel zu sehen. Bald handelte Aeneas von der Stiftung des romischen Reichs, bald kam Lutherus und reinigte die Kirche. Bald war Dido, bald die babylonische Hure zu sehen u.s.w. Und diese beyde so verschiedene Handlungen hiengen nicht anders zusammen, als durch eine l.u.s.tige Person, die zwischen solchen Vorstellungen auftrat, und z.E. den auf der See besturmten Aeneas mit dem in Gefahr schwebenden Kirchenschifflein verglich. Das ist nun ein sehr handgreiflicher Fehler, wo zwey so verschiedene Dinge zugleich gespielet werden. Allein die andern, so etwas unmerklicher sind, verdienen deswegen keine Entschuldigung.

-- 16. Die Einheit der Zeit ist das andre, so in der TraG.o.die unentbehrlich ist. Die Fabel eines Heldengedichtes kann viele Monate dauren, wie oben gewiesen worden; das macht, sie wird nur gelesen: Aber die Fabel eines Schauspieles, die mit lebendigen Personen in etlichen Stunden lebendig vorgestellet wird, kann nur einen Umlauf der Sonnen, wie Aristoteles spricht, das ist einen Tag, dauren. Denn was hat es fur eine Wahrscheinlichkeit, wenn man in dem ersten Auftritte den Helden in der Wiege, weiter hin als einen Knaben, hernach als einen Jungling, Mann, Greis, und zuletzt gar im Sarge vorstellen wollte: Wie Cervantes solche thorichte Schauspiele an seinen spanischen Poeten im Don Quixote ausgelachet hat. Oder wie ist es wahrscheinlich, da.s.s man es auf der Schaubuhne etlichemal Abend werden sieht, und doch selbst, ohne zu essen oder zu trinken, oder zu schlafen, immer auf einer Stelle sitzen bleibt?

Die besten Fabeln sind also diejenigen, die nicht mehr Zeit nothig gehabt hatten, wirklich zu geschehen, als sie zur Vorstellung brauchen; das ist etwa drey oder vier Stunden: Und so sind die Fabeln der meisten griechischen TraG.o.dien beschaffen. Kommt es hoch, so bedorfen sie sechs, acht, oder zum hochsten zehn Stunden zu ihrem ganzen Verlaufe: Und hoher muss es ein Poet nicht treiben; wenn er nicht wieder die Wahrscheinlichkeit handeln will.

-- 17. Es mussen aber diese Stunden bey Tage, und nicht bey Nacht seyn, weil diese zum Schlafen bestimmet ist: Es ware denn da.s.s die Handlung entweder in der Nacht vorgegangen ware, oder erst nach Mittag anfienge, und sich bis in die spate Nacht verzoge; oder umgekehrt fruhmorgens angienge, und bis zu Mittage daurete. Der beruhmte Cid des Corneille lauft in diesem Stucke wieder die Regeln, denn er dauret eine ganze Nacht durch, nebst dem vorigen und folgenden Tage, and braucht wenigstens volle vier und zwanzig Stunden: Welches schon viel zu viel ist, und unertraglich seyn wurde, wenn das Stuck nicht sonst viel andre Schonheiten in sich hatte, die den Zuschauern fast nicht Zeit liessen, daran zu gedenken. Das ist nun eben die Kunst, die Fabel so ins kurze zu bringen, da.s.s keine lange Zeit dazu geh.o.r.et; und eben deswegen sind auch bey uns Deutschen die TraG.o.dien vom Wallenstein, von der Banise, ingleichen von der bohmischen Libussa ganz falsch und unrichtig: Weil sie zum Theil etliche Monate, zum Theil aber viele Jahre zu ihrer Dauer erfordern. Meine obrige SchultraG.o.die hub sich von dem Urtheile des Paris uber die drey Gottinnen an, und daurete bis auf des Aeneas Ankunft in Italien. Das war nun eine Zeit, davon die zwey Heldengedichte, Ilias und Aeneis, nicht den zwanzigsten Theil einnehmen, und ich zweifle, ob man die Ungereimtheit hoher hatte treiben konnen.

-- 18. Zum dritten gehort zur TraG.o.die die Einigkeit des Ortes. Die Zuschauer bleiben auf einer Stelle sitzen: Folglich mussen auch die spielenden Personen alle auf einem Platze bleiben, den jene ubersehen konnen, ohne ihren Ort zu andern. So ist im Oedipus, z.E. der Schauplatz auf dem Vorhofe des koniglichen thebanischen Schlosses, darinn Oedipus wohnt. Alles, was in der ganzen TraG.o.die vorgeht, das geschieht vor diesem Pallaste: Nichts was man wirklich sieht, tragt sich in den Zimmern zu, sondern draussen auf dem Schlossplatze, vor den Augen alles Volks. Heute zu Tage, da unsre Fursten alles in ihren Zimmern verrichten, fallt es also schwerer, solche Fabeln wahrscheinlich zu machen. Daher nehmen denn die Poeten gemeiniglich alte Historien dazu, oder sie stellen uns auch einen grossen Audienzsaal vor, darinn vielerley Personen auftreten konnen. Ja sie helfen sich auch zuweilen mit dem Vorhange, den sie fallen la.s.sen und aufziehen, wenn sie zwey Zimmer zu der Fabel nothig haben. Man kann also leicht denken, wie ungereimt es ist, wenn, nach dem Berichte des Cervantes, die spanischen Trauerspiele den Helden in dem ersten Aufzuge in Europa, in dem andern in Africa, in dem dritten in Asien, und endlich gar in America vorstellen: Oder, wenn meine obgedachte Schulcomodie uns bald in Asien die Stadt Troja, bald die ungestume See, darauf Aeneas schiffet, bald Carthago, bald Italien vorstellete, und uns also durch alle drey Theile der damals bekannten Welt, fuhrete, ohne da.s.s wir uns von der Stelle ruhren dorften. Es ist also in einer regelma.s.sigen TraG.o.die nicht erlaubt, den Schauplatz zu andern. Wo man ist, da muss man bleiben; und daher auch nicht in dem ersten Aufzuge im Walde, in dem andern in der Stadt, in dem dritten im Kriege und in dem vierten in einem Garten, oder gar auf der See seyn; Das sind lauter Fehler wieder die Wahrscheinlichkeit: Eine Fabel aber, die nicht wahrscheinlich ist, taugt nichts, weil dieses ihre vornehmste Eigenschaft ist.

+LXIV. JOHANN JAKOB BODMER+

A Swiss scholar (1698-1783) who is important as the first notable champion of English literature, and also as the pioneer editor of medieval poetry. In 1721 he began, with a group of Zurich friends, the publication of _Discourse der Mahlern_, a literary magazine for which the English _Spectator_ served as a model. A defense of Milton, published in 1740, brought on the controversy with Gottsched. In the course of his long life Bodmer wrote vast quant.i.ties of didactic verse, also epics and tragedies, which are now forgotten, his theory of poetry having been better than his practice. His fragmentary and uncritical editions of Wolfram's _Parzival_, the _Nibelung Lay_, and the Minnesingers (1753-59) are the earliest attempts to arouse interest in the forgotten poetry of the despised Middle Ages. The selection is from the _Discourse der Mahlern_, following Bachtold and Vetter's reprint in _Bibliothek alterer Schriftwerke der deutschen Schweiz_, Zurich, 1887.

_From 'Discourses of the Painters,' Part I, No. 19; Importance of the Imagination._

Eine Imagination, die sich wol cultiviert hat, ist eines von den Haupt-Stucken, durch welche sich der gute Poet von dem gemeinen Sanger unterscheidet, ma.s.sen die reiche und abandernde Dichtung, die ihr Leben und Wesen eintzig von der Imagination hat, die Poesie von der Prosa hauptsachlich unterscheidet. Da.s.s Opitz den Rang vor Menantes[1]

pretendieren kan, geben ihm das Recht diese schonen und abwechselnde Bildnissen, die er gemachet hat, und in welchen er die Natur mit denen Farben und in der Gestalt gemahlet hat, die ihr eigen sind. Ich bediene mich mit Fleisse dieser Metaphora, die ich von den Mahlern entlehne, denn die erste und eintzige Regel, welche ein jedweder Schreiber und Redner, es seye in gebundener oder ungebundener Rede, nachzufolgen hat, und welche ihm mit den Mahlern gemein ist, die ist diese, da.s.s er das Naturliche nachspure und copiere; alle diese andere Regeln, da.s.s er anmuthig, delicat, hoch schreibe, sind in dieser eingeschlossen und fliessen daraus ab. Wenn er von einer jeden Sache dasjenige saget, was ein curieuser Sinn davon wahrnimmt, wenn er nichts davon verfliegen la.s.st, das sie dienet von andern Sachen zuunterscheiden, und wenn er mit solchen angemessenen Worten davon redet, welche mir eben dieselben Ideen davon erwecken, so sage ich da.s.s er naturlich schreibe; wenn er denn von einer anmuthigen Sache naturlich schreibet, so kan ich sagen, da.s.s sein Stylus anmuthig ist; schreibet er von einer Delicatesse naturlich, so wird der Stylus delicat, und er wird hoch, wenn er von einer Sache naturlich redet, welche die Menschen bewundern und gross nennen. Weil nun Opitz naturlicher, und welches nichts anders saget, annehmlicher, delicater und hocher ist, als Menantes, so heisst er mir auch ein besserer Poet als Menantes. Da.s.s aber Opitz naturlicher dichtet als der andere, ist dieses die Ursache, weil er die Imagination mehr poliert und bereichert hat als dieser; Opitz hat, nemlich, nicht allein mehr Sachen durch die eigene Erfahrung und die Lesung in seine Imagination zusammengetragen, sondern er hat noch an denjenigen Sachen, die ihm aufgestossen, und die Hunolden vielleicht auch in die Sinnen gefallen, mehrere Seiten und Differenzien wahrgenommen, er hat sie von einer Situation angeschauet, von welcher sie ihm besser in die Imagination gefallen sind, und er hat sich langer daruber aufgehalten, indem er sie mit einer sorgfaltigern Curiositat betrachtet und durchgesuchet hat.

Also hat er erstlich eine nahere und vollkommnere Kenntniss der Objecten erworben, und hernach hat er eben darum auch gewissere und vollkommnere Beschreibungen machen konnen, in welchen die wahre Proportion und Eigenschafften der Sachen bemercket, und derselben Seiten ohne Ermangeln abgezehlet worden.

Ihr erkennet aus diesem die Nothwendigkeit, und was es contribuiert naturlich schreiben zu lernen, da.s.s ein Schuler der Natur sich wisse uber den aufstossenden Objecten zufixieren, und sie in einer solchen Postur anzuschauen, in welcher ihm kein Theil und keine Seiten derselben kan verborgen bleiben; er muss so nahe zu derselben tretten, und die Augen so wol offen behalten, da.s.s ihm weder die allzuweite Entfernung sie kleiner machet, noch die Nahe mit einem Nebel uberziehet. Wenn ich jetz ferner untersuche, warum Opitz die Imagination freyer und ungebundener bewahret, und die Distractionen ausgewichen habe, welche Hunolden die Menge der Objecten und andere Umstande erwecket haben, so finde ich keine andere Ursache, als weil Opitz von diesen belebten Seelen gewesen, welche weit zartlichern und hitzigern Affecten unterworffen sind, und viel geschwinder Feuer, oder da.s.s ich ohne Metaphora rede, Liebe fur ein Objectum fangen, als andere unachtsame und dumme Leute; denn es ist im ubrigen gewiss, da.s.s wir uns um eine Sache, fur die wir pa.s.sioniert sind, weit mehr interessieren, und weit mehr Curiositet und Fleiss haben, sie anzuschauen, folglich auch die Imagination damit mehr anfullen, als wir bey einem Objecte thun, fur das wir indifferent sind. Ein Amant wird von der Schonheit seiner Buhlschafft eine ahnlichere und naturlichere Beschreibung machen, als ein jedweder andrer, dem sie nicht so starck an das Hertze gewachsen ist. Ihr werdet einen Affect allezeit naturlicher ausdrucken, den ihr in dem Hertzen fuhlet, als den ihr nur simulieret. Die Leidenschafft wird euch im ersten Fall alle Figuren der Rhetoric auf die Zunge legen, ohne da.s.s ihr sie studieret. Zertheilet und erleset die Harangue einer Frauen, die ihre Magd von Hertzen ausschiltet, ihr werdet es also finden. Wenn auf diese Weise die Imagination von der Pa.s.sion begleitet wird, alsdann ist sie im Stande sich ohne Distraction uber ein Objecte aufzuhalten, und sich die Natur, Gestalt und Grosse desselben bekandt zumachen; und dieses ist die Manier, die sie brauchet, sich auszuschmucken und zu bereichern.

Erst ein solcher Schreiber der, wie unser Opitz, die Imagination mit Bildern der Sachen bereichert und angefullet hat, kan lebhaft und naturlich dichten. Er kan die Objecte, die er einmal gesehen hat, so offt er will, wieder aus der Imagination holen, sie wird ihn gleichsam auf die Stelle zuruck fuhren, wo er dieselben antreffen kan. Er seye in sein Cabinet eingeschlossen, und werde von keinen andern Gegenstanden umgeben, als von einem Hauffen Bucher, so wird sie ihm eine hitzige Schlacht, eine Belagerung, einen Sturm, einen Schiffbruch, etc. in derselben Ordnung wieder vormahlen, in welcher sie ihm vormahls vor dem Gesicht gestanden sind. Dieselbe wird alle die Affecte, die ihn schon besessen haben, in ihm wieder rege machen, und ihn davon erhitzen, nicht anderst als wenn er sie wirklich in der Brust fuhlte. Es seye, da.s.s er in dem Schatten einer ausgespannten Eiche sitzet, von allen Neigungen der Liebe, des Mitleidens, der Traurigkeit, des Zorns, frey und unbeweget, so bringet ihm doch die Starke seiner Imagination alle die Ideen wieder zuruck, die er gehabt hat, als er wircklich verliebt, mitleidend, betrubt, erzornt gewesen, sie setzet ihn in einen eben so hitzigen Stande, als er damahlen gestanden ware, und ruffet ihm dieselbe Expressionen wieder zuruck, welcher er sich zur selben Zeit bedienet.

Will er eine Dame glauben machen, da.s.s sie schon seye, und da.s.s er sie liebe; will er einen Todten beweinen, der ihn vielleichte nichts angehet; will er einen erdichteten Zorn ausstossen, so weiss er die Stellungen und die Worte derer Leuten, die in der That mit diesen Pa.s.sionen angefullet sind, lebendig nachzumachen.

Diese vornehme Poeten, die ich niemals mude werde zuloben, la.s.sen das Hertze reden, man kan sagen, da.s.s Amor ihnen ihre Verse in die Feder geflosset hat, wenn sie von der Liebe, und Mars wenn sie von dem Kriege singen. Sie zwingen uns die Affecte anzunehmen, welche sie wollen, wir lachen, wir werden stoltz, wir forchten uns, wir erschrecken, wir betruben uns, wir weinen, wenn es ihnen gefallt; aber auch die traurigen Affecte, die sie in uns rege machen, werden von einem gewissen Ergetzen begleitet, das damit vermenget ist.

Ich belache diese fantastische Schuler der Reim-Kunst, welche sich eine Chimerische Maitresse bey einem frostigen Hertzen, und einer noch kalteren Imagination machen, welche von Brand und Feuer mit den kaltesten Expressionen reden, in der Metaphora sterben, sich hencken, sich zu tode sturtzen, derer pa.s.sioniertste Complimente, die sie ihrer Liebsten machen, Spiele der Wortern, und der truckenen Imagination sind, Phebus, Galimathias, etc.