An anthology of German literature - Part 65
Library

Part 65

+3+

+Die verworfene Liebe.+

Ich habe genug!

l.u.s.t, Flammen und Kusse Sind giftig und susse Und machen nicht klug; Komm, selige Freiheit, und dampfe den Brand, 5 Der meinem Gemute die Weisheit entwandt.

Was hab' ich gethan!

Jetzt seh' ich die Triebe Der thorichten Liebe Vernunftiger an; 10 Ich breche die Fessel, ich lose mein Herz Und ha.s.se mit Vorsatz den zartlichen Schmerz.

Was qualt mich vor Reu'?

Was stort mir vor k.u.mmer Den nachtlichen Schlummer? 15 Die Zeit ist vorbei.

O kostliches Kleinod, o teurer Verl.u.s.t!

O hatt' ich die Falschheit nur eher gewusst!

Geh, Schonheit, und fleuch!

Die artigsten Blicke 20 Sind schmerzliche Stricke.

Ich merke den Streich, Es lodern die Briefe, der Ring bricht entzwei Und zeigt meiner Schonen: Nun leb' ich recht frei.

Nun leb' ich recht frei 25 Und schwore von Herzen, Da.s.s Kussen und Scherzen Ein Narrenspiel sei; Denn wer sich verliebet, der ist wohl nicht klug; Geh, falsche Sirene, ich habe genug! 30

+4+

+An Leonoren.+

Als er sie einer bestandigen Liebe versicherte.

Treuer Sinn, Wirf den falschen k.u.mmer hin.

La.s.s den Zweifel der Gedanken Nicht mit meiner Liebe zanken, Da ich langst dein Opfer bin. 5

Gluck und Zeit Ha.s.set die Bestandigkeit; Doch das Feuer, so ich fuhle, Hat die Ewigkeit zum Ziele Und verblendet selbst den Neid. 10

Meine Glut Leidet keinen w.a.n.kelmut; Eher soll die Sonn' erfrieren, Als die Falschheit mich verfuhren, Eher loscht mein eigen Blut. 15

Grab und Stein Adeln selbst mein Redlichsein.

Bricht mir gleich der Tod das Herze, So behalt die Liebeskerze In der Asche doch den Schein. 20

+5+

+An Leonoren.+

Gedenk an mich und meine Liebe, Du mit Gewalt entrissnes Kind, Und glaube, da.s.s die reinen Triebe Dir jetzt und allzeit dienstbar sind, Und da.s.s ich ewig auf der Erde 5 Sonst nichts als dich verehren werde.

Gedenk an mich in allem Leiden Und troste dich mit meiner Treu!

Die Luft mag jetzt empfindlich schneiden, Die Wetter gehn doch all vorbei, 10 Und nach dem ungeheuren Knallen Wird auch ein fruchtbar Regen fallen.

Gedenk an mich in deinem Glucke, Und wenn es dir nach Wunsche geht, So setze nie den Freund zurucke, 15 Der bloss um dich in Sorgen steht!

Auch mir kann bei dem besten Leben Nichts mehr als du Entzuckung geben.

Gedenk an mich in deinem Sterben; Der Himmel halte dies noch auf; 20 Doch sollen wir uns nicht erwerben, Und zurnt der Sterne boser Lauf, So soll mir auch das Sterbekissen Die Hinfahrt durch dein Bild versussen.

Gedenk an mich und meine Thranen, 25 Die dir so oft das Herz geruhrt Und die dich durch mein kraftig Sehnen Zum ersten auf die Bahn gefuhrt, Wo Kuss und Liebe treuer Herzen Des Lebens Ungemach verschmerzen. 30

Gedenk auch, endlich an die Stunde, Die mir das Herz vor Wehmut brach, Als ich, wie du, mit schwachem Munde Die letzten Abschiedsworte sprach; Gedenk an mich und meine Plagen! 35 Mehr will und kann ich jetzt nicht sagen.

+6+

+An seine Leonore.+

Bist du denn noch Leonore, Der so manch verliebter Schwur (Sinne nach, bei welchem Th.o.r.e!) Unter Kuss und Schmerz entfuhr, Ach, so nimm die stummen Lieder 5 Eben noch mit dieser Hand, Die mir ehmals Herz und Glieder Mit der starksten Reizung band.

Durch dein sehnliches Entbehren Werd' ich vor den Jahren grau, 10 Und der Zufluss meiner Zahren Mehrt schon lange Reif und Tau; Meine Schwachheit, mein Verbleichen Und die Brust, so stundlich lechzt, Wird des k.u.mmers Siegeszeichen, 15 Der aus unsrer Trennung wachst.

l.u.s.t und Mut und Geist zum Dichten, Feuer, Jugend, Ruhm und Fleiss Suchen mit Gewalt zu fluchten Und verlieren ihren Preis, 20 Weil der Zunder deiner Kusse Meinen Trieb nicht mehr erweckt Und die Fuhrung harter Schlusse Ein betrubtes Ziel gesteckt.

Alle Bilder meiner Sinnen 25 Sind mir Ekel und Verdruss, Da sie nichts als Gram gewinnen, Weil ich dich noch suchen muss.

Nichts ergetzt mich mehr auf Erden Als das Weinen in der Nacht, 30 Wenn es unter viel Beschwerden Dein Gedachtnis munter macht.

Jedes Blatt von deinen Handen Ist ein Blatt voll Klag' und Weh, Und ich kann es niemals wenden, 35 Da.s.s kein Stich ans Herze geh'; Die Versichrung leerer Zeilen Giebt den Leibern wenig Kraft, Welche Luft und Ort zerteilen.

O bedrangte Leidenschaft! 40

+7+

+Die seufzende Geduld.+

Morgen wird es besser werden, Also seufzt mein schwacher Geist, Den die Menge der Beschwerden uber allen Abgrund reisst.

Aber ach, wenn bricht der Morgen 5 Und das Licht der Hoffnung an, Da ich die so langen Sorgen Nach und nach vergessen kann?

Sklaven auf den Ruderbanken Wechseln doch mit Muh' und Ruh', 10 Dies mein unaufhorlich Kranken La.s.st mir keinen Schlummer zu.

Niemand klagt mein schweres Leiden, Dies vergrossert Last und Pein.

Himmel, la.s.s mich doch verscheiden, 15 Oder gieb mir Sonnenschein!

Will ich mich doch gerne fa.s.sen, Wenn mich nur der Trost erquickt, Da.s.s dein ewiges Verla.s.sen Mich nicht in die Grube schickt. 20

+LXII. BARTHOLD HEINRICH BROCKES+

A writer of rather mediocre gifts who is of some historical importance as the pioneer in a new poetry of nature (1680-1747). He was the first to blend reverent emotion with very minute observation and description.

His thesis--as oft reiterated in his many-volumed _Earthly Pleasure in G.o.d_--is that we _ought_ to love nature because it is the wonderful and perfect work of an infinitely wise and good Creator. The selections follow Kurschner's _Nationalliteratur_, Vol. 39.