An anthology of German literature - Part 30
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Part 30

Wer wahnt, da.s.s er ein Weiser sei, Dem wohnt ein Tor sehr nahe bei.

+7+

+Alter und Jugend.+

Haben alte Leute jungen Mut, Und junge alten, das ist nicht gut; Singen, springen soll die Jugend, Die Alten wahren alte Tugend.

+8+

+Grenzen der Furstenmacht.+

Und sollte es der Kaiser schworen, Der Mucken kann er sich nicht wehren; Was hilft ihm Herrschaft oder List, Wenn doch ein Floh sein Meister ist.

+9+

+Der unbedeutende Feind.+

Dem Lowen wollt' ich Friede geben, Liessen mich die Flohe leben.

+10+

+Der kuhnste Vogel.+

Die Flieg' ist, wird der Sommer heiss, Der kuhnste Vogel, den ich weiss.

+11+

+Rom und der Papst.+

Zu Rom ist manche falsche List, Daran der Papst unschuldig ist.

+12+

+Weisheit und Reichtum.+

Ich nahme Eines Weisen Mut Fur zweier reicher Toren Gut.

+13+

+Scheinheiligkeit.+

Von manchem hort' ich schon mit Neid, Er pflege grosser Heiligkeit; Und sah ich ihn, da dunkt' es mich, Er ware nur ein Mensch wie ich.

+14+

+Der freie Gedanke.+

Deshalb sind Gedanken frei, Da.s.s die Welt unmussig sei.

+15+

+Lebensregel.+

Man soll nach Gut und Ehre jagen Und Gott dennoch im Herzen tragen.

+16+

+Minnegluck.+

Wer minnet, was er minnen soll, Dem ist mit Einem Weibe wohl; Ist sie gut, so ist ihm gewahrt, Was man von allen Weibern gehrt.

+x.x.xIII. PLAY OF THE TEN VIRGINS+

One of the earliest attempts at dramatic composition in German. There is a tradition that it was played in 1322 before the Landgrave of Thuringen and that he was so overwhelmed by its picture of Christ as stern judge that he fell into a moody despair which endured five days and ended with an apoplectic stroke from which he died three years later.

_Die erste Torichte spricht also_:

Herr Vater, himmelischer Gott, Tu' es bei deinem bittern Tod, Den du am Kreuze hast erduldet: Verzeih' uns armen Jungfraun, was wir verschuldet.

Verleitet hat uns leider unsre Torheit; 5 La.s.s uns geniessen deiner grossen Barmherzigkeit, Und Mariens, der lieben Mutter dein, Und la.s.s uns zu dem Gastmahl hier herein.

_Jesus spricht also_:

Wer die Zeit der Reue versaumet hat Und auch nicht busste seine Missetat 10 Und kommt zu stehn vor meiner Tur, Der findet keinen Eintritt hier.

_Die zweite Torichte spricht_:

Tu' auf, o Herr, dein Tor!

Die gnadenlosen Jungfraun stehen davor Lieber Herr, wir bitten dich sehr, 15 Da.s.s deine Gnade sich uns zukehr'.

_Jesus spricht also_:

Ich weiss nicht, wer ihr seid.

Da ihr zu keiner Zeit Mich selber habt erkannt Noch die Taten meiner Hand, 20 So bleibt euch Gnadenlosen Das Himmelstor verschlossen.