An anthology of German literature - Part 87
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Part 87

(_Erschrickt und la.s.st plotzlich seine Hand fahren._) Ferdinand! Ein Dolch uber dir und mir! --Man trennt uns!

FERDINAND. Trennt uns! (_Er springt auf._) Woher bringst du diese Ahnung, Louise? Trennt uns? --Wer kann den Bund zwoer Herzen losen oder die Tone eines Akkords auseinander reissen? --Ich bin ein Edelmann--La.s.s doch sehen, ob mein Adelsbrief alter ist als der Riss zum unendlichen Weltall? oder mein Wappen giltiger als die Handschrift des Himmels in Louisens Augen: dieses Weib ist fur diesen Mann? --Ich bin des Prasidenten Sohn. Eben darum. Wer als die Liebe kann mir die Fluche versussen, die mir der Landeswucher meines Vaters vermachen wird?

LOUISE. O wie sehr furcht' ich ihn--diesen Vater!

FERDINAND. Ich furchte nichts--nichts--als die Grenzen deiner Liebe!

La.s.s auch Hindernisse wie Gebirge zwischen uns treten, ich will sie fur Treppen nehmen und druber hin in Louisens Arme fliegen. Die Sturme des widrigen Schicksals sollen meine Empfindung emporblasen, Gefahren werden meine Louise nur reizender machen. --Also nichts mehr von Furcht, meine Liebe! Ich selbst--ich will uber dir wachen, wie der Zauberdrach uber unterirdischem Golde. --Mir vertraue dich! Du brauchst keinen Engel mehr--Ich will mich zwischen dich und das Schicksal werfen--empfangen fur dich jede Wunde--auffa.s.sen fur dich jeden Tropfen aus dem Becher der Freude--dir ihn bringen in der Schale der Liebe. (_Sie zartlich umfa.s.send_) An diesem Arm soll meine Louise durchs Leben hupfen; schoner als er dich von sich liess soll der Himmel dich wieder haben und mit Verwunderung eingestehen, da.s.s nur die Liebe die letzte Hand an die Seelen legte.--

LOUISE (_druckt ihn von sich in grosser Bewegung_). Nichts mehr! Ich bitte dich, schweig! --Wusstest du--la.s.s mich--Du weisst nicht, da.s.s deine Hoffnungen mein Herz wie Furien anfallen. (_Will fort._)

FERDINAND (_halt sie auf_). Louise? Wie? Was? Welche Anwandlung?

LOUISE. Ich hatte diese Traume vergessen und war glucklich--jetzt!

Jetzt! Von heut an!--der Friede meines Lebens ist aus--Wilde Wunsche--ich weiss es--werden in meinem Busen rasen. --Geh--Gott vergebe dir's! --Du hast den Feuerbrand in mein junges friedsames Herz geworfen, und er wird nimmer, nimmer geloscht werden. (_Sie sturzt hinaus. Er folgt ihr sprachlos nach._)

[Notes: 2: Louise is the daughter of a middle-cla.s.s musician. She has not yet heard of any plot (the 'cabal' comes later) to separate her from her n.o.ble lover, whose intentions are honorable; but her father's uneasiness and her own instinctive cla.s.s-feeling fill her with dismay.]

5

_From a Discourse on the Theater, read before the German Society of Mannheim in 1784._

Noch ein Verdienst hat die Buhne--ein Verdienst, das ich jetzt um so lieber in Anschlag bringe, weil ich vermute, da.s.s ihr Rechtshandel mit ihren Verfolgern ohnehin schon gewonnen sein wird. Was bisher zu beweisen unternommen worden, da.s.s sie auf Sitten und Aufklarung wesentlich wirke, war zweifelhaft--da.s.s sie unter allen Erfindungen des Luxus und allen Anstalten zur gesellschaftlichen Ergotzlichkeit den Vorzug verdiene, haben selbst ihre Feinde gestanden. Aber was sie hier leistet, ist wichtiger als man gewohnt ist zu glauben.

Die menschliche Natur ertragt es nicht, ununterbrochen und ewig auf der Folter der Geschafte zu liegen, die Reize der Sinne sterben mit ihrer Befriedigung. Der Mensch, uberladen vom tierischem Genuss, der langen Anstrengung mude, vom ewigen Triebe nach Tatigkeit gequalt, durstet nach bessern auserlesenem Vergnugungen, oder sturzt zugellos in wilde Zerstreuungen, die seinen Hinfall beschleunigen und die Ruhe der Gesellschaft zerstoren. Bacchantische Freuden, verderbliches Spiel, tausend Rasereien, die der Mussiggang ausheckt, sind unvermeidlich, wenn der Gesetzgeber diesen Hang des Volkes nicht zu lenken weiss. Der Mann von Geschaften ist in Gefahr, ein Leben, das er dem Staat so gross.m.u.tig hinopferte, mit dem unseligen Spleen abzubussen--der Gelehrte zum dumpfen Pedanten herabzusinken--der Pobel zum Tier. Die Schaubuhne ist die Stiftung, wo sich Vergnugen mit Unterricht, Ruhe mit Anstrengung, Kurzweil mit Bildung gattet, wo keine Kraft der Seele zum Nachteil der andern gespannt, kein Vergnugen auf Unkosten des Ganzen genossen wird.

Wenn Gram an dem Herzen nagt, wenn trube Laune unsre einsamen Stunden vergiftet, wenn uns Welt und Geschafte anekeln, wenn tausend Lasten unsre Seele drucken, und unsre Reizbarkeit unter Arbeiten des Berufs zu ersticken droht, so empfangt uns die Buhne--in dieser kunstlichen Welt traumen wir die wirkliche hinweg, wir werden uns selbst wiedergegeben, unsre Empfindung erwacht, heilsame Leidenschaften erschuttern unsre schlummernde Natur und treiben das Blut in frischeren Wallungen. Der Ungluckliche weint hier mit fremdem k.u.mmer seinen eignen aus--der Gluckliche wird nuchtern und der Sichere besorgt. Der empfindsame Weichling hartet sich zum Manne, der rohe Unmensch fangt hier zum ersten Mal zu empfinden an. Und dann endlich--welch ein Triumph fur dich, Natur!--so oft zu Boden getretene, so oft wieder auferstehende Natur!--wenn Menschen aus allen Kreisen und Zonen und Standen, abgeworfen jede Fessel der Kunstelei und der Mode, herausgerissen aus jedem Drange des Schicksals, durch Eine allwebende Sympathie verbrudert, in Ein Geschlecht wieder aufgelost, ihrer selbst und der Welt vergessen und ihrem himmlischen Ursprung sich nahern! Jeder einzelne geniesst die Entzuckungen aller, die verstarkt und verschonert aus hundert Augen auf ihn zuruckfallen, und seine Brust gibt jetzt nur Einer Empfindung Raum--es ist diese: ein Mensch zu sein.

END OF PART SECOND