An anthology of German literature - Part 38
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Part 38

"Herr Tannhauser, nit reden also, Ihr tut Euch nit wohl besinnen; So gehn wir in ein Kammerlein Und spielen der edlen Minne."

"Eu'r Minne ist mir worden leid, 45 Ich hab' in meinem Sinne: Frau Venus, edle Fraue zart, Ihr seid ein' Teufelinne."

"Herr Tannhauser, was red't Ihr nun, Und da.s.s Ihr mich tut schelten? 50 Nun, sollt Ihr langer hierinnen sein, Ihr musst' es sehr entgelten."

"Frau Venus, das en will ich nit, Ich mag nit langer bleiben.

Maria Mutter, reine Maid, 55 Nun hilf mir von dem Weibe!"

"Herr Tannhauser, Ihr sollt Urlaub han, Mein Lob das sollt Ihr preisen, Wo Ihr in dem Land umfahrt; Nehmt Urlaub von dem Greisen!"[47] 60

Da schied er wieder aus dem Berg, In Jammer und in Reuen: "Ich will gen Rom wohl in die Stadt Auf eines Papstes Treuen.

Nun fahr' ich frohlich auf die Bahn, 65 Gott muss' sein immer walten!

Zu einem Papst, der heisst Urban, Ob er mich mocht' behalten."

"Ach Papste, lieber Herre mein, Ich klag' Euch hie mein' Sunde, 70 Die ich mein' Tag' begangen hab', Als ich Euch's will verkunden.

Ich bin gewesen auch ein Jahr Bei Venus, einer Frauen.

So wollt' ich Buss' und Beicht' empfahn, 75 Ob ich mocht' Gott anschauen."

Der Papst hat ein Stablein in seiner Hand, Das war sich also durre: "Als wenig das Stablein grunen mag, Kommst du zu Gottes Hulde!" 80

"Und sollt' ich leben nur ein Jahr, Ein Jahr auf dieser Erden, So wollt' ich Beicht' und Buss' empfahn Und Gottes Trost erwerben."

Da zog er wied'rum aus der Stadt 85 In Jammer und in Leiden: "Maria Mutter, reine Magd, Muss ich mich von dir scheiden!"

Er zog nun wied'rum in den Berg Und ewiglich ohn' Ende: 90 "Ich will zu meiner Frauen zart, Wo mich Gott will hin senden."

"Seid gottwillkommen, Tannhauser!

Ich hab' Eu'r lang entboren;[48]

Seid gottwillkommen, mein lieber Herr, 95 Zu einem Buhlen auserkoren."

Das wahret an den dritten Tag, Der Stab hub an zu grunen.

Der Papst schickt' aus in alle Land: Wo der Tannhauser war' hinkommen? 100

Da war er wieder in den Berg Und hatt' sein Lieb erkoren; Des muss der vierte Papst Urban Auf ewig sein verloren!

[Notes: 42: Erk and Bohme, I, 40. The Venus of the folk-song represents the German Frau Holde, a love-G.o.ddess who holds her court in a mountain and infatuates men to the peril of their souls. Just how and when the saga attached itself to the historical minnesinger Tannhauser is not known. Urban IV, referred to in the last stanza, was pope from 1261 to 1265.

43: A form of the old negative particle; _en nit_ = _nicht_.

44: _Jemands ... Ihr_, 'any one but you.'

45: _Bleiben_.

46: Equivalent to _gleichgultig_.

47: The legendary old man, faithful Eckart, who warns of danger and rebukes sinners.

48: For _entbehrt_.]

+x.x.xIX. LATE MEDIEVAL RELIGIOUS PROSE+

Prior to Luther the most noteworthy prose is found in the sermons of Berthold von Regensburg, the great 13th century preacher, and in the somewhat later writings, largely sermons, of the mystics Eckhart, Seuse, Tauler and Meerschwein. Their interest is rather more religious than literary. The earliest example of imaginative prose is the so-called _Farmer of Bohemia_, written in 1399, in which a bereaved husband discourses of his lost wife with Death. The 15th century shows a considerable body of prose literature in the form of sermons, chronicles, translations, paraphrases, but nothing of great artistic distinction.

1

_From a Sermon of Berthold von Regensburg 'On the Angels.'_[1]

Wir begehen heute das Fest der grossen Fursten, der heiligen Engel, die der ganzen Welt ein uberaus grosses Wunder sind, und an denen der allmachtige Gott viele Wunder und grosse Wunder geschaffen hat. Und wollte ein Mensch nicht aus anderm Grunde in den Himmel kommen, so konnte er doch gerne darum in den Himmel kommen, nur damit er sahe, was fur Wunder und Wunder da sind. Und des Wunders kann niemand zu Ende kommen, das Gott in den heiligen Engeln an den Tag gelegt hat. Und sie sind unseres Herrn Boten, denn Engel heisst auf Griechisch ein Bote.

Unser Herr hatte grosse Freude, da er ohne Anfang war, wie er auch auf immer ohne Ende ist. Ich rede von der Gottheit, von der Krone; ehe er etwas erschuf, wie wir jetzt sind, da hatte er gar grosse Freude in sich selbst und mit sich selbst. Da gedachte er zu machen, er wollte zwei Kreaturen machen, zweierlei Kreaturen, damit diese seiner Freude teilhaftig wurden, er selbst aber darum nicht weniger Freude hatte. Und wie grosse Freude er auch ihnen gab, hatte er doch selbst darum nicht mindre Freude, recht wie der Sonnenschein. Wie viel die Sonne uns auch alle Tage ihres Lichtes gibt, hat sie selbst um nichts weniger. Und also machte Gott zwei Kreaturen: das waren der Mensch und der Engel. Da machte Gott ein Ding,[2] und das war das allerbeste Ding unter allen Dingen, die Gott je gemacht hat. Und nie machte er ein Ding so gut unter allen Dingen, die Gott gemacht hat, [wie dieses, das er machte,] damit Mensch und Engel seiner Freude teilhaftig wurden, da es so nutze und so gut war. Und also machte es Gott, da.s.s Menschen und Engel davon immermehr Freude haben sollten. Und wie ausserordentlich nutze das Ding auch war, und wie viel Ehre und Seligkeit auch daran liegt, so waren doch etliche Engel im Himmel, die das Ding nicht behalten wollten, und diese wurden verstossen aus den ewigen Freuden und wurden in die ewige Marter geworfen. Und alle, die das Ding behielten, die blieben bei dem allmachtigen Gott in den ewigen Freuden, weil sie das Ding behielten, das so gut ist, unter allen Dingen das beste....

Und also begeht man heute das Fest der Engel, die bei Gott blieben und aushielten, da.s.s sie nicht fielen. Und also begeht man heute das Fest Sankt Michaels und der heiligen Engel. Und da.s.s man das Fest der heiligen Engel nicht oft im Jahre begeht, daran tat unser Herr gar weislich und wohl; wie billig es auch ware, da.s.s man ihr Fest dreimal im Jahre beginge, so tat unser Herr gar weislich und wohl daran, und es ist besser, da.s.s man es nicht oft begeht. Warum? Seht, aus diesem Grunde.

Wenn man ihr Fest mit Singen und Lesen beginge, musste man auch von ihnen predigen. Und wenn wir also oft von den Engeln predigen mussten, so kame vielleicht ein Frevler und wurde vielleicht so frevelhaft sein, da.s.s er von den heiligen Engeln Ketzerei predigen konnte. Denn unser Herr hat so viel Wunders an den Engeln gemacht, da.s.s wir es nicht alles sicherlich wissen. Er hat etliche Wunder an den Engeln gemacht, wovon wir nicht genau wissen sondern nur vermuten. Und wer ein Ding vermutet, der weiss es nicht sicherlich. So hat auch unser Herr manches Ding an ihnen gemacht, das wir wohl wissen. Wer daher die Dinge predigen wollte, die wir vermuten, der konnte vielleicht Ketzerei predigen. Also soll niemand etwas predigen als das, was man sicherlich weiss.

[Notes: 1: Pfeiffer's edition of Berthold von Regensburg, Vienna, 1862, vol. ii, page 174.

2: The 'thing,' as explained further on, is _die Tugend_.]

2

_From Eckhart's tractate 'On the Nature and Dignity of the Soul.'_[3]

Die Seele hat zwei Fusse, das Verstandnis und die Minne; und je mehr sie versteht, desto mehr minnet sie. Und wer kann sie fallen, da der sie erhalt, der alle Kreaturen erhalt? Denn die Gnade reizet die Begierde und ziehet die Seele aus sich selber heraus, so da.s.s sie mit der Gnade und in der Gnade in Gnade kommt, und uber die Gnade in Gott, ihren ersten Ursprung kommt, wo es ihr wohler als je wird in wonnesamer Einigung. Denn da verstummen alle Sinne, und der Seele Wille und der Wille Gottes fliessen ineinander, so da.s.s die zwei Willen sich minnesam umfangen in rechter Einigung. Und da kann die Seele weder mehr noch minder denn gottliche Werke hervorbringen, und zwar deshalb, weil an ihr nichts mehr als Gott lebet. Darum spricht die Seele in dem Buch der Minne: Ich habe den Kreis der Welt umlaufen und konnte nicht zu dessen Ende kommen; deshalb habe ich mich in den einzigen Punkt meines einzigen Gottes versenkt, weil er mich verwundet hat mit seinem Anblicke. Und wen dieser Anblick nicht verwundet hat, dessen Seele ist von der Minne Gottes nie verwundet worden. Darum sagt Sankt Bernhard: Welcher Geist den Anblick empfunden hat, der vermag ihn nicht zu beschreiben, und wer ihn nicht empfunden hat, der vermag nicht daran zu glauben. Denn da wird ein Pfeil ohne Zorn geschossen, und man empfindet es ohne Schmerzen; denn da wird der lautere und klare Brunnen der Arzenei der Gnade aufgetan, der die inneren Augen erleuchtet, so da.s.s die Seele mit einem wonnesamen Anschauen den Woll.u.s.t der gottlichen Heimsuchung empfindet, in dem man unerhorte Dinge geistlichen Gutes gewahrt, die nie gehort noch gepredigt wurden und in keinem Buche geschrieben stehen.

[Notes: 3: Pfeiffer's edition of Meister Eckhart, Leipzig, 1857, page 401.]

3

_From Seuse (Suso): The Prelude to the Silent Ma.s.s._[4]

Er ward gefragt, was er damit meinte, als er Messe sang und vor der stillen Messe das Praludium anhub: _Sursum corda_. (Denn nach ihrer gewohnlichen Bedeutung meinen die Worte auf Deutsch: Saust auf in die Hohe, alle Herzen, zu Gott!). Die Worte kamen recht begehrlich aus seinem Munde, so da.s.s die Menschen, die sie horten, auf einen sonderbaren Andacht haben daraus schliessen konnen. Auf diese Frage antwortete er mit einem minniglichen Seufzer und sprach also:

"Wenn ich diese lobreichen Worte _sursum corda_ in der Messe sang, geschah es gewohnlich, da.s.s mein Herz und meine Seele zusammenflossen von gottlicher Qual und Begierde, die mein Herz sofort aus sich selbst entruckten; denn es erhoben sich gewohnlich drei hochentzuckende Vorstellungen, in denen ich zu Gott aufgeschwungen ward, und durch mich alle Kreaturen. Die erste einleuchtende Vorstellung war also: Mich selbst nach allem, was ich bin, nahm ich vor meine inneren Augen mit Leib und Seele und allen meinen Kraften und stellte um mich herum alle Kreaturen, die Gott je erschuf im Himmel und auf Erden und in den vier Elementen, waren es Vogel der Luft, Tiere des Waldes, Fische des Wa.s.sers, Laub und Gras des Erdreiches, oder der unzahlige Sand am Meer, und dazu all das kleine Gestaube, das im Glanz der Sonne schimmert, und alle die Wa.s.sertropflein, die vom Tau oder vom Schnee oder vom Regen je gefallen sind oder fallen werden, und wunschte, es hatte deren jegliches ein susses, aufdringendes Saitenspiel, wohlgenahrt vom Safte meines innigsten Herzens, und da.s.s also ein neues, hochherziges Lob dem geminnten, zarten Gott aufklange von Ewigkeit zu Ewigkeit. Und dann zertrennten und zerteilten sich auf eine frohliche Weise die minnereichen Arme der Seele gegen die unsagliche Zahl aller Kreaturen, und es war ihr Gedanke, sie alle darin eifrig zu machen, recht wie ein freier, wohlgemuter Vorsanger die singenden Gesellen ansp.o.r.nt, frohlich zu singen und ihre Herzen zu Gott aufzubieten: _Sursum corda!_"

"Die zweite Vorstellung," sprach er, "war also: Ich nahm in meine Gedanken mein Herz und aller Menschen Herzen und uberlegte, welche l.u.s.t und Freude, was fur Gluck und Frieden die geniessen, die ihr Herz Gott allein geben, und dagegen was fur Schaden und Leiden, was fur Qual und Unruhe vergangliche Minne ihren Untertanen eintragt, und ich rief dann mit grosser Sehnsucht zu meinem Herzen und den andern Herzen, wo sie auch sein mochten in allen Enden dieser Welt: Wohlauf, ihr gefangenen Herzen, aus den engen Banden verganglicher Minne! Wohlauf, ihr schlafenden Herzen, aus dem Tode der Sunde! Wohlauf, ihr uppigen Herzen, aus der Lauheit eures tragen, la.s.sigen Lebens! Hebt euch auf mit einer ganzlichen ledigen Umkehr zu dem minniglichen Gott: _Sursum corda!_"

[Notes: 4: Kurschners Deutsche National-Litteratur, Vol. 12{2}, page 210.]

4

_From the 'Farmer of Bohemia,' Chapter 3: A bereaved husband expostulates with Death for taking away his wife._[5]

Ich bin genannt ein Ackermann; von Vogelweid' ist mein Pflug.[6] Ich wohne im Bohmer Land. Geha.s.sig, widerwartig und widerstrebend soll ich Euch [o Tod] immer mehr sein, denn Ihr habt mir den zwolften Buchstaben,[7] meiner Freuden Hort, gar grausam aus dem Alphabet entruckt. Ihr habt meiner Wonne lichte Sommerblume mir aus des Herzens Anger auf ewig ausgerodet. Ihr habt meines Gluckes Inbegriff, meine auserwahlte Turteltaube, arglistig entfremdet; Ihr habt unwiederbringlichen Raub an mir getan. Erwagt es selber, ob ich nicht billig zurne, wute und klage; bin ich doch von Euch freudenreichen Wesens beraubt, taglicher guter Lebtage verl.u.s.tig gemacht, und aller wonnebringenden Freuden benommen. Froh und freudig war ich ehemals zu jeder Stunde; kurz und l.u.s.tig war all meine Zeit Tag und Nacht in gleichem Ma.s.s, beide freudenreich, uberschwenglich reich. Jedes Jahr war fur mich ein gnadenreiches Jahr. Nun wird zu mir gesagt: Vorbei! bei trubem Getrank, bei durrem Ast, betrubt, schwarz und zerstort, bleib'

und heul' ohne Unterla.s.s! Also treibt mich der Wind; ich schwimme durch des wilden Meeres Flut; die Wogen haben uberhand genommen, mein Anker haftet nirgends. Darum will ich schreien ohne Ende: Tod, seid verflucht!

[Notes: 5: Kurschners Deutsche National-Litteratur, Vol. 12{2}, page 145, with comparison of Knieschek's edition, Prag, 1877. The work consists of thirty-two chapters in which, alternately, the widower complains and Death replies. Then G.o.d, as judge, decides in favor of Death: the body must die that the soul may live. The whole ends with a fervid and eloquent prayer for the repose of the dead wife's soul.

6: It is conjectured that the author was a schoolmaster who chose to call himself symbolically an _Ackermann_, that is, a 'sower of seed.' Hence he says that his 'plow' comes from the birds; in other words, it is a pen.